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Kurzvortrag im Futurium: Rudolf Virchows Traum vollenden – Einzelzell-Medizin

8.Sept.2019. Eröffnung des Futuriums – “Wie wollen wir in Zukunft leben”, Kurzvorträge im Rahmen einer Themen-Insel der Leibniz-Gemeinschaft: Mir-Farzin Mashreghi, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin, ein Leibniz Institut

Vor 300 Jahren wurde in Berlin die Charité gegründet, heute eines der renommiertesten Krankenhäuser weltweit. Ihren Ruf verdankt die Charité Wissenschaftlern wie Rudolf Virchow. Geboren 1821 studiert er in Berlin Medizin. Er wird dann Professor in Würzburg, bevor er 1856 als Professor für Pathologie an die Charité zurückkehrt. Dort entdeckt er, dass der menschliche Körper aus Zellen besteht. Winzig kleine Kammern, in denen sich das Leben abspielt. Wird man krank, verändern sich die Zellen, das kann der Pathologe mit dem Mikroskop feststellen. 1858 veröffentlicht Virchow sein Werk die „Cellularpathologie“, eine Revolution der Medizin. Bis dahin hatte man geglaubt, dass Krankheiten durch ein Ungleichgewicht der Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle verursacht werden. Virchow überzeugt seine Kollegen davon, dass Krankheiten durch die Veränderungen einzelner Zellen entstehen. Zellen sind die kleinste Einheit des Lebens. Werden sie gestört oder funktionieren sie nicht mehr richtig, wird man krank. Virchow ging davon aus, dass man Krankheiten gezielt behandeln könnte, wenn man verstehen würde, welche Zellen bei welchen Krankheiten nicht mehr richtig arbeiten. Bei Krebs sind es Zellen, die nicht mehr aufhören, sich zu teilen. Bei Rheuma sind es Zellen des Immunsystems, die den eigenen Körper angreifen.

Virchows „Cellularpathologie“ gilt heute wie vor 150 Jahren. Aber immer noch können wir die meisten Krankheiten nicht heilen, Wir verstehen nicht, welche Zellen sie verursachen, und wie sie das machen. Was ist das Problem? Erstens, die Zellen sind sehr klein, 10 Millionen davon sind so groß wie ein Stecknadelkopf. Man muss also schon sehr genau hinschauen, wenn man einzelne Zellen untersuchen will. Ein Mensch besteht aus rund 100 Billionen Zellen. Und viele Zellen zu untersuchen ist mühsam. Dann hat jede Zelle mehr als 20.000 Gene, die in jeder Zelle unterschiedlich aktiv sind. Schließlich sind die krankmachenden Zellen bei vielen Krankheiten selten, oft sind es nur wenige Zellen unter Millionen von normalen Zellen. Sie funktionieren oft nur im Zusammenspiel mit anderen Zellen und nur unter den Bedingungen, die sie im Körper vorfinden. Die medizinische Forschung ist deshalb in den letzten 150 Jahren nur schleppend vorangekommen. Zufallsbeobachtungen und Intuition, mehr Glück als Verstand.

Und dann die genetische Revolution. Seit 1983 können wir Gene entziffern. Seit 2003 kennen wir alle Gene des Menschen. Und seit 2013 können wir alle aktiven Gene in jeder einzelnen Zelle bestimmen. Aus der Zusammenarbeit von Biologie, Chemie, Mathematik und Physik ist etwas völlig Neues entstanden. Heute haben wir die Instrumente, um den krankmachenden Zellen einzeln auf die Spur zu kommen. Wir können sie erkennen, ihre Fehlfunktion verstehen, die beteiligten Gene bestimmen. Und wir erkennen ihre Vielfalt. Die krankmachenden Zellen eines Patienten sind nicht alle gleich, und viele Patienten haben mehrere Arten solcher Zellen. Doch am Ende haben wir heute die technischen Möglichkeiten, die Zellen zu verstehen, die uns krankmachen. Wir können individuelle Therapien für diese Zellen entwickeln. Oder aber auch solche Zellen identifizieren, die sich als „lebende Medikamente“ eignen, um chronische Erkrankung aufzulösen.

Wir auf dem Weg zu einer Einzelzell-Medizin, in meinem Fall für Rheuma.

So könnte Virchows Traum in näherer Zukunft Wirklichkeit werden.

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