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Neuer Entzündungsmechanismus bei chronischen Darmentzündungen entdeckt

Onkostatin M als Schlüsselziel für Therapien

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind schwer therapierbar und mit einem erhöhten Risiko für Darmkrebs verbunden. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Ahmed Hegazy von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), ein Leibniz-Institut, hat nun aufgedeckt, dass die Botenstoffe Interleukin-22 und Onkostatin M im Zusammenspiel eine zentrale Rolle bei der Verstärkung der Entzündungsprozesse im Darm spielen. Besonders Onkostatin M erweist sich dabei als potenzieller Biomarker für schwere Krankheitsverläufe und mangelnden Therapieerfolg – und bietet zugleich einen vielversprechenden Ansatz für neue Behandlungsstrategien. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Nature Immunology veröffentlicht.

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa stellen nach wie vor eine große therapeutische Herausforderung dar. Sie sind mit erheblichen Komplikationen verbunden – unter anderem einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Darmkrebs. Häufig betroffen sind auch junge Erwachsene im Alter zwischen 15 und 29 Jahren. Da nicht alle Patient:innen ausreichend auf bestehende Therapien ansprechen, gibt es einen dringenden Bedarf an neuen therapeutischen Strategien.

Das Forschungsteam um Ahmed Hegazy hat nun zwei zentrale immunologische Botenstoffe identifiziert, die eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der chronischen Entzündung im Darm spielen: Interleukin-22 (IL-22) und Onkostatin M (OSM). IL-22 unterstützt die Zellen der Darmepithel-Schicht und trägt zur Stabilität der Darmbarriere bei. OSM hingegen wirkt gewebsregenerierend und beeinflusst die Zelldifferenzierung – kann jedoch auch Entzündungen fördern. So kann OSM eine Kaskade auslösen, die zu einer überschießenden Immunantwort führt. Besonders auffällig ist, dass Patient:innen mit hoher OSM-Produktion häufig nicht auf gängige Therapien ansprechen. Dies macht OSM zu einem potenziellen Biomarker für schwere Verläufe.

Mithilfe modernster Einzelzell-Sequenzierung konnten die Forschenden von Charité und DRFZ zeigen, dass im entzündeten Darmgewebe – im Vergleich zu gesundem – vermehrt ungewöhnliche Zelltypen auftreten, die Rezeptoren für OSM exprimieren. Zusätzlich produzieren mehr Immunzellen diesen entzündungsfördernden Botenstoff. Bemerkenswert ist dabei, dass IL-22 – trotz seiner schützenden Wirkung – gleichzeitig die Empfindlichkeit der Darmepithelzellen für OSM erhöht, indem es die Expression von OSM-Rezeptoren erhöht. IL-22 und OSM potenzieren somit ihre Wirkung gegenseitig, befeuern die chronische Entzündung und locken weitere Immunzellen ins Gewebe.

In präklinischen Tier-Modellen konnte das Forschungsteam durch gezielte Blockade der OSM-Rezeptoren eine deutliche Abschwächung der chronischen Entzündung und der damit verbundenen Krebsentwicklung beobachten.

Auch in Gewebeproben von Patient:innen mit Darmkrebs aufgrund von chronischen Entzündungen zeigte sich eine auffällig hohe Dichte an OSM-Bindungsstellen im Tumorumfeld.

Die Entdeckung der pathogenen Rolle von Onkostatin M – insbesondere in Verbindung mit Interleukin-22 – liefert neue Einblicke in die Mechanismen chronischer Darmentzündungen. Auf dieser Basis wird nun ein neuer Therapieansatz erprobt: Eine klinische Studie zur Wirksamkeit eines Antikörpers, der gezielt OSM-Rezeptoren blockiert, ist bereits gestartet.